Samstag, 24. August 2013

leerlauf

wenn nichts mehr sinn macht.
in den leerlauf geschaltet.

Sonntag, 14. Juli 2013

Nicht alle Züge halten an


Obwohl sie eine dicke Daunenjacke trug und die Sonne an diesem Maimorgen bereits schien, war Mara furchtbar kalt. Die Schüler am Bahnhof um sie herum trugen fast alle nur dünne Leinenjacken, einige Mutige waren sogar nur im Shirt unterwegs. Sie scherzten, lachten, beklagten sich darüber, dass der Mathelehrer ihnen so viele Hausaufgaben aufgegeben hatten, planten bereits, im Zug vom Klassenstreber die Lösungen abzuschreiben und warteten ungeduldig darauf, dass dieser endlich eintraf. Mara blickte stumm auf die Gleise vor ihr, auf denen gleich der Zug zum stehen kommen würde. Sie hörte ihre Schulkameraden kaum und achtete nicht darauf, was sie von sich gaben, war fasziniert vom Anblick der Gleise.
So viele Nachmittage hatte sie auf diesem Bahnsteig verbracht und die Züge vorbeirasen sehen, in diesem Höllentempo. Hatte den kalten Luftzug verspürt, sich in den Fenstern der Abteile gespiegelt, die Elektrizität in der Luft förmlich gerochen. So schnell die Züge kamen, waren sie auch wieder verschwunden, viele, ohne in dem kleinen Bahnhof anzuhalten. Sie rasten regelrecht vorbei. Mara starrte ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren, und setzte sich dann wieder auf die kleine Bank, um auf den nächsten zu warten. Sie blickte auf die weisse Markierung auf der Bahnsteigkante, die anzeigte, dass man nicht zu nahe an den Rand kommen sollte, damit man nicht in Gefahr geriet. Es wäre so lächerlich einfach, sie zu überschreiten. Langsam ging Mara auf die Linie zu und blieb kurz davor stehen. So lächerlich einfach. Unerträglich langsam, doch bestimmt setzte sie einen Fuss hinter die Linie, dann den anderen, bis sie so dicht vor der Bahnsteigkante war, dass sie beinahe auf die Gleise fiel. Der nächste Zug würde bald kommen. Auf der Anzeigetafel war zu lesen, dass der nächste Zug in zwanzig Minuten eintreffen würde, doch davor würde noch ein anderer vorbeikommen, der nicht anhielte. Mara hatte genug Nachmittage auf der Bank verbacht, um in- und auswendig zu wissen, wann welcher Zug kommen würde. Noch drei Minuten. Nicht mehr ganz so bestimmt wie vorher hob Mara den Kopf, sah sich um, um auszuschliessen, dass ausser ihr noch jemand da war, und stellte zufrieden fest, dass der kleine Bahnhof menschenleer war. Mit einem Satz, von einem plötzlichen Impuls getrieben, sprang sie vom Bahnsteig auf die Gleise. Noch zwei Minuten. Verblüfft von ihrem eigenen plötzlichen Mut, endlich das getan zu haben, das sie sich so lange nur vorgestellt hatte, bückte sie sich zu den Schienen, berührte sie erst mit der Fingerspitze, dann mit der ganzen Hand. Sie waren nicht so kühl, wie sie gedachte hatte, sondern angenehm warm, bereits von den Sonnenstrahlen geheizt. Wie es sich wohl anfühlte, sich auf sie zu legen? Noch eine Minute. Mara wollte es ausprobieren. Sich einfach nur hinlegen und sehen, wie es sich anfühlte. Auf den Rücken. Die Wolken beobachten und das warme Eisen im Nacken und an der Hüfte spüren. Bestimmt fühlte es sich himmlisch an. Als Mara bereits den Entschluss gefasst hatte, sich hinzulegen, blickte sie kurz auf und sah von weitem, wie etwas Kleines sich auf sie zubewegte und immer grösser wurde. Der Zug. Er war wie immer pünktlich. Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte Mara, dann richtete sie sich auf, so schnell es ihr möglich war, und eilte hinauf auf den Bahnsteig, bevor sie den gewohnten kühlen Luftzug im Nacken spüren konnte. Dann erst merkte sie, was gerade geschehen war, wie knapp sie den Rädern des Zuges entwischt war. 
Daran dachte Mara, als sie an diesem Morgen im Mai auf die Gleise starrte. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie bei der Erinnerung daran ihre Fäuste in den Jackentaschen so fest geballt hatte, dass ihre Sehnen bereits weiss hervortraten und sie sich ihre Fingernägel in die Haut bohrte. Ihr Mund verzerrte sich beim Gedanken an die Situation zu einer Grimasse. Alle Stimmen um sie herum schienen völlig zu verstummen, alle Hintergrundgeräusche zu verstimmen. Es blieben nur noch Mara, die warmen Gleise und der bald eintreffende Zug übrig. Sie blickte in die Richtung, aus der er kommen würde, und sah nach einigen endlos lange erscheinenden Augenblicken endlich, wie er sich auf den Bahnhof zubewegte. Ohne noch einen Gedanken darüber zu verschwenden, als hätte sie das ewig so geplant, sprang sie förmlich von der Bank, war in zwei Sätzen beim Bahnsteigrand und stieg unter den entsetzten Blicken ihrer fassungslosen Mitschüler auf die Gleise. Alles schien den Atem anzuhalten. Als Mara ihren Kopf auf das Gleis bettete, dachte sie noch, wie seltsam es doch war, dass all die Kälte auf einmal verschwunden zu sein schien. Sie schloss ihre Augen und ein kleines Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, bevor der Zug mit voller Kraft am Bahnhof vorbeifuhr, ohne anzuhalten, und ihrem Leben dadurch ein jähes Ende setzte.

Samstag, 13. Juli 2013

what's in my bag...

Nein, ich habe tatsächlich nichts besseres zu tun... das lenkt zumindest ein wenig ab und sowas gehört doch auf einen Blog, nicht?

Erstmal meine Tasche... ich habe sie, seit ich zwölf bin und brauche sie eigentlich ständig. Sie ist gross genug, hat einen breiten Riemen, der nicht so einschneidet und vor allem ist sie deshalb toll, weil sie an der Unterseite eine Art 'Schuhprofil' hat, sie kippt also nicht um, wenn man sie abstellt.

 

Zum Inhalt... zurzeit ist sie richtig vollgepackt. 


Erstmal drei Bücher. 
Seelen von Stephenie Meyer (ich finde ihre Bücher zwar furchtbar, aber trotzdem lese ich sie... schliesslich will ich wissen, was ich da kritisiere (übrigens schafft sie es auch noch dann eine Dreiecksbeziehung entstehen zu lassen, wenn nur zwei Körper im Spiel sind. Faszinierend, diese Fixierung).
Knoblauch, Kreuz und Weihwasser - Hand buch für Vampirjäger von Scott Bowen
Traummann an der Angel von Mary Janice Davidson
Beim bestern Willen keine anspruchsvolle Lektüre, aber eben das, was man am Bahnhof für fünf Mäuse am Grabbeltisch so findet. Sie werden mich zumindest eine Weile unterhalten, schätze ich, beim Durchblättern sind sie mir auf jeden Fall wie eine akzeptable Zeitvertreib-Lektüre vorgekommen. Alle anderen Bücher, die mir meine Mutter aus der Bibliothek und von zuhause ins Krankenhaus mitgebracht hat, habe ich jetzt durch und auch die, die auf der Station für die Patienten bereitstehen sind   ausgelesen. Wählerisch bin ich wirklich nicht mehr.


Darauf folgt ein ziemlicher Kabelsalat. 
Mein Handy mitsamt Aufladegerät, der mp3-Player (bei dem aus einem mir nicht erklärbarem Grund nur das Radio funktioniert, weshalb ich mir in Dauerschleife Get Lucky anhören muss) mit Aufladegerät und mein iPod (nicht auf dem Bild, da ich damit das Foto geschossen habe) mit (leicht angeknackstem) Aufladekabel sowie mein alter Nintendo DS mit Aufladegerät, den ich aus den Tiefen meines Zimmers herausgekramt habe.


Puh, nun zum Kleinkram, der in meiner Tasche herumschwirrt...
Meine Brieftasche mit etwas Geld, meinem Generalabo für den Zug, meine Identitäts-, Bibliotheks- und Organspendekarte (ich gestatte im Falle meines Todes die Entnahme jeglicher Organe, Gewebe und Zellen - ob sie die wollen, ist eine andere Frage), diverse Visitenkarten, halb ausgefüllte Stempelkarten (zehntes Sandwich umsonst).
2 Teebeutel von Kenwick mit Kirscharoma aus Holland, die ich von meiner Tante bekommen habe. 
Meine Schlüssel (Hausschlüssel, der vom Briefkasten und der von meinem Casier in der Schule) mitsamt merkwürdigen Schlüsselanhänger, den meine Mutter einmal bekommen hat.
Zwei angebrochene Kaugummipackungen (Wassermelone).
Ein USB-Stick, bei dem der Deckel fehlt.
Ein kaputter (aber noch funktionstüchtiger) Füller und ein Tintenkiller. 
Meine Medikamente für heute und morgen.
Eine Zahnbürste, die schon ewig in dieser Tasche ist, aber keine Zahnpasta.
Ein Concealer/Roll-On von Garnier, den mir meine Mutter einmal gekauft hat, ich aber nicht brauche, weil ich mir einbilde, dass man meine Augenringe damit nur noch stärker sieht.
Ein 'Schneeflockenlicht' von meiner Grossmutter.
Eine Geschenkgutscheinkarte über 20 Franken bei exlibris, einem Laden, der Bücher, DVDs, CDs etc. verkauft und den ich wahrscheinlich bald brauchen sollte, bevor er verfällt.
Einige Münzen, die ich in der Eile nicht in meine Brieftasche gesteckt habe.
Zwei gelbe Post-It-Blöcke mit einer Telefonnummer drauf.
Ein Nasenpflaster, das schon ganz klebrig ist.
Meine Sonnenbrille, die ich nie anziehe, weil ich keine Kontaktlinsen mehr trage und ohne Brille kaum etwas erkenne.
Die Terminkarte von der Physiotherapie (allerdings eine ältere, auf der noch Termine vom Mai stehen).
Die Quittung für zwei Eintritte im Museum im Januar.
Einige leere Tintenpatronen, die schon seit einer Weile da herumschwirren.
Drei Scoubidous, die weitgehend fertig sind.
Zitronensaft... weiss der Geier, woher.

Tja. Das war wirklich wahnsinnig aufschlussreich und spannend und hat mich gute dreissig Minuten lang beschäftigt.

Samstag, 25. Mai 2013

dreieinhalb Monate

Jetzt bin ich seit dreieinhalb Monaten in der pädopsychiatrischen Abteilung des Krankenhauses meiner Stadt. Mit 17 bin ich eine der Ältesten da - die meisten anderen sind um die fünfzehn, einige auch jünger. Sie bleiben meistens nicht lange. Einige Wochen, vielleicht einen Monat, wenn es denn hochkommt. Sie kommen, gehen und hinterlassen nur für kurze Zeit eine Leere, bis eine andere Person ihren Platz einnimmt, wenn sie wieder in ihr Leben zurückkehren. Ich bleibe.
Die Tage sind furchtbar lang und gleichzeitig wahnsinnig kurz. Sie ziehen sich wie Kaugummi, weil ich kaum etwas anderes tue als auf meinem Bett zu liegen und an die Decke zu starren, zu zittern und die Verzweiflung aufsteigen zu fühlen. Doch dann wird es draussen wieder dunkel und noch ein Tag ist vorbei. Noch einer, den ich im Krankenhaus verbringe, ich auf Leerlauf geschalte bin, während draussen das Leben weitergeht. Anfangs wollte ich noch unbedingt so schnell wie möglich herauskommen, aber jetzt kann ich mir einfach nicht vorstellen, wie es weitergehen soll, wenn ich einmal nicht mehr dort bin. Eigentlich denke ich nicht, dass es überhaupt weitergehen kann - bevor ich abends einschlafe, hoffe ich stets, dass ich morgens nicht mehr aufwache. Das würde alles so viel leichter machen. Ich bin es schlicht leid zu kämpfen.

Samstag, 26. Januar 2013

Heute Abend habe ich mich auf die Waage gestellt und war unter 36 Kilo. Keine Ahnung, ob die Zahl wirklich stimmt. Sie macht mir Angst irgendwie, weil ich nie unter 36 fallen wollte. Allerdings wollte ich auch nie unter 37 fallen und auch nicht unter 38. Ich weiss, dass ich mehr essen muss, überhaupt essen muss, und im Grunde will ich das auch, aber es ist so viel einfacher, es einfach... nicht zu tun. Die Essstörung ist etwas, in das ich mich wickeln kann, bis zu einem gewissen Grad geborgen fühle. Und dann wiederum ist es die Hölle, weil es verbunden ist mit körperlichem Schmerz, mit so viel Trauer und mit Frustration. Mir kommt es so vor, als würde mein Gehirn laut schreien und mit tausend unterschiedlichen Stimmen gegen sich selbst ankämpfen, mir alles mögliche zurufen.

Donnerstag, 24. Januar 2013

Mein Gehirn schreit.

Was Magersucht und Essstörungen an sich angeht, bin ich im Grunde ein gebranntes Kind. Meine Mutter war magersüchtig als sie in meinem Alter war, jedoch nur in einem 'vernünftigen Rahmen' - sprich, soweit ich weiss, war sie schon immer sehr dünn, aber sie ist nicht zusammengeklappt. Nach meiner Geburt hat sich das Ganze stark verschlimmert, sei's jetzt wegen der Erfahrung der Schwangerschaft oder sonstwas, keine Ahnung. Jedenfalls gilt sie seit etwa zwei Jahren als geheilt, nachhdem sie eine Therapie gemacht hat; ihr Gewicht ist noch immer niedrig und sie ist dünn, aber es ist jetzt vertretbar. Irgendwie. Anscheinend.

Soweit ich mich selber erinnern kann, habe ich mich nie als zu dick empfunden. Ich war ja auch nie wirklich zu dick, ein Höchstgewicht von 60kg auf 1.72 ist durchaus eine Zahl, die man laut aussprechen kann, auch wegen der Pubertät und all sowas. Und selbst wenn es mal Tage gab, an denen ich mir dachte, dass ich etwas weniger auf den Rippen vertragen könnte (was allerdings eine Seltenheit war), dann habe ich die Gedanken mit einem Griff in die Chipstüte beiseitegeschoben. Im Grunde war mein Gewicht mir schlicht nie sonderlich wichtig, weil ich mich immer über Qualitäten, die ich mir eingebildet habe zu besitzen wie 'Intelligenz' oder 'Potenzial' definiert habe und daraus mein Selbstbewusstsein geschöpft habe. Es ist nicht so, als wäre ich wahnsinnig selbstbewusst gewesen oder hätte mich sonderlich schön gefunden, ich war sogar recht selbstkritisch, weil ich als Kind eher ein Einzelgänger war (und definitiv noch bin) und mir Hänseleien sehr zu Herzen genommen habe, aber es hatte nicht zwangsläufig alles mit meinem Aussehen oder Gewicht zu tun. Das spielt für mich auch jetzt im Endeffekt keine grossartige Rolle... ich schminke mich zum Beispiel nicht, weil es mir unnütz erscheint und wie Zeitverschwendung. Und vergebliche Lebensmüh. Haha.

Was auch immer. Jedenfalls habe ich letztes Jahr, etwa um diese Zeit herum, dann doch angefangen, mich etwas intensiver mit meinem Gewicht zu beschäftigen - was daran lag, dass ich nach einer Weile auf der Waage stand und gemerkt hatte, dass ich von 55 auf 60kg geschossen war. Total normal, weil Pubertät und doch eine Menge Zeit verstrichen war, aber irgendwie hatte es mich dann doch erstaunt. Wirklich besorgt hatte es mich nicht und ich habe dann auch noch nichts unternommen, aber einfach diesen Gedanken im Hinterkopf behalten. Wenn ich so drüber nachdenke, ist der Augenblick, an dem sich der Wunsch abzunehmen wirklich etabliert hat, wahrscheinlich ein ganz anderer gewesen. Das war im Zug, nach einem normalen Schultag, als man mit Mitschülern aus undefinierbaren Gründen auf das Gewicht zu sprechen kam. Die Dünnste hat sich natürlich darüber beschwert, dick zu sein und abnehmen zu müssen (fishing for compliments der allerersten Güte und nicht wirklich ernst gemeint, schätze ich). Ich habe dann mein Gewicht, also die 60kg, herausposaunt und gesagt, dass es mir völlig egal wäre - und ein Mädchen hat dann richtig geschockt reagiert. Sie würde nur 45kg wiegen. Die Tatsache, dass sie rund 15cm kleiner war als ich und die Statur einer Bohnenstange ohne feminine Kurven, während ich dann schon pubertätsbedingt gewisse Formen annahm, wurde dabei nicht beachtet. Ich werde trotzdem nie vergessen, wie rund ihre Augen geworden sind. Die Situation ist mir erst wieder vor ein paar Wochen eingefallen, aber anscheinend war sie ein Schlüsselelement.

Etwa im April '12 hat eine meiner Lieblingsvloggerinnen aus den USA auf YouTube ein Video darüber gemacht, was die 'freshman fiveteen' sind, also die ersten 15 Pfund, die viele Studenten im ersten Jahr am College ansetzen und verraten, dass sie Kalorien zählt, um gegen diese paar Kilos anzukämpfen und sich gesünder und bewusster zu ernähren. Dazu benutzte sie eine Abnehmwebsite, die auch über eine App verfügt und in meinem Eifer habe ich mich da gleich angemeldet. Abnehmziel? 55 Kilo, was weiss ich wieso. Ich wollte es bis zum Sommer erreichen rechnete mir aus, dass ich dafür ein Kilo die Woche verlieren müsste, was einer bestimmten Anzahl Kalorien entspricht, die ich am Tag mehr verbrennen musste. Gesagt, getan - zunächst etwas lasch mit Durchschnittswerten, Schätzungen, kleinen Ausnahmen, und dann immer genauer. Weil es tatsächlich funktionierte und etwas brachte. Als ich bei 55kg angekommen war, naja... ich sah zwar ganz okay aus, aber wieso aufhören? Es funktionierte doch so gut. Also wurde das Ziel auf 50kg gesenkt. Dann nochmal auf 48kg. Und dann auf 45kg. Die erreichte ich dann Ende Sommer und plante, von da an wieder normal bzw. mehr zu essen und mein Gewicht zu halten. Ich werde nicht näher darauf eingehen, wieviel genau ich während dem Sommer gegessen habe oder wieviel Sport getrieben, es war schlicht viel zu wenig. An den meisten Tagen ass ich etwa 600 Kalorien und verbrachte drei Stunden im Schwimmbad oder auf dem Fahrrad, fühlte mich aber generell nicht geschwächt oder müde. Ich nahm beständig ab, wurde aber nicht glücklicher, entwickelte Hemmungen vor dem Essen und komische Angewohnheiten, was mein Verhalten mit dem Essen anging (feste Essenszeiten, die nicht überschritten werden durften, gewisse Kaloriengrenzen natürlich etc.).

Es war eine Art, irgendetwas in Kontrolle zu bringen. Seit etwa zwei Jahren bin ich relativ depressiv (diagnostiziert ist offiziell nichts, und es gibt ja auch sowas wie Stimmungstiefs in der Pubertät, aber das geht darüber hinaus, nehme ich stark an), besonders seit Ende '11. Da begann das Ritzen, dass ich mir in der Schule so gar keine Mühe mehr gab, allgemeine depressive Befinden, Vereinsamung und der Gedanke vom 'ich muss mich durch den Tag kämpfen'. Jeder Tag eine Herausforderung, alle Tage gleich, alle Tage sinnlos und leer. Schwarzes Loch. Ich liege neben der langen Rennbahn, die das Leben darstellt, und während alle anderen ihre Runden drehen, Verbindungen eingehen, Verabredungen treffen, Fortschritt machen, schlicht ihren Weg gehen sitze ich im Gras leben der Rennbahn und sinke jeden Tag etwas mehr hinein, werde förmlich überwachsen von all dem Gras um mich herum, bis ich gar nicht mehr zu sehen bin. Es war und ist hoffnungslos und ich sehe keinen Weg aus der Situation. Aber gut, darum geht es nicht.

Sondern um mein Gewicht, nicht wahr? Ich wiege jetzt 37 Kilo. Oder 36. In etwa. Schätze ich. Ich war bei einem Arzt, der von mir möchte, dass ich zunehme. Ich war bei einem Therapeuten, der das ebenfalls will. (Und der will, dass ich in eine Klinik gehe, was für mich nicht in Frage kommt.) Weil ich mich anscheinend in einem 'lebensbedrohlichen Zustand' befinde und das fange ich jetzt auch langsam an zu spüren. Heute bin ich nach zwei Stunden Unterricht nach Hause gegangen (ich wollte noch meine Prüfung in der zweiten Stunde ablegen), weil ich so schwach war und dachte, ich würde umkippen. Wenn ich morgens aufstehe, schmerzen meine Beine fürchterlich und ich brauche zehn Minuten, um genug Energie zu sammeln, um überhaupt aus dem Bett zu kommen. Ich muss mich abstützen, wenn ich aufstehe und mich am Geländer hochziehen, wenn ich Treppen steigen muss. Mein Körper ist von blauen Flecken übersäht, weil jeder kleinste Schlag gleich solche Flecken gibt. Mein Herz fängt oft an, ganz plötzlich zu schmerzen bzw. einfach langsamer zu laufen. Dass ich keine Regelblutung mehr habe, ist relativ klar. Ich fühle mich einfach nur... abgebrannt. Völlig am Ende meiner Kräfte. Sowohl physich als als psychisch. Ich habe das Gefühl, in meinem Kopf schreien Dutzende Stimmen herum. Ich will mehr essen, aufhören, weiter an Gewicht zu verlieren, vielleicht sogar etwas zuzunehmen, aber es ist so hart... jeder Tag ist eine Herausforderung und es sieht so aus, als würde ich täglich scheitern. Da stellt sich in mir die Frage, ob es nicht einfacher wäre, einfach aufzugeben... einfach loszulassen, nicht mehr daran festzuhalten und zu gehen.

Puah, langer Post... ich kann meine Gedanken gerade nicht mehr ordnen, aber da käme noch mehr, dass einfach rausmuss... das habe ich so lange für mich behalten irgendwie. Keine Ahnung, ob ich das abschicke... ja, doch. Wer weiss. Keine Ahnung.

Sonntag, 13. Januar 2013

Manchmal frage ich mich wirklich, weshalb ich überhaupt noch weitermache bzw. versuche, mein Leben einigermassen auf die Reihe zu bekommen, wenn alles, was ich im Grunde will, sterben ist. Einfach weg sein und nie wieder solch eine Hoffnungslosigkeit verspüren.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Veränderungen

Auf lange Tage folgen anscheinend ereignisreiche Tage, denn heute ist wirklich eine ganze Menge passiert... ich habe das Gefühl, ich muss alles aufschreiben, auch wenn das niemand liest (obwohl, ich habe eine Leserin - eine unglaublich nette sogar, womit habe ich sie denn verdient?). Vielleicht hält mich das davon ab, durchzudrehen.
Morgens war es wieder wirklich hart, aufzustehen und der Schultag an sich war nicht sehr spektakulär, aber unglaublich ermüdened und anstrenengd. An mehreren Augenblicken bin ich auf die Toilette geflüchtet, um den ganzen Menschen zu entfliehen, meinen Tränen mehr oder weniger freien Lauf zu lassen (so lange, wie man in der fünfzehnminütigen Pause nunmal Zeit hat) und mich einfach nur gegen die Tür zu lehnen, um runterzukommen. Zum Glück habe ich es mir im Unterricht selber verkneifen können zu heulen - ich wollte das niemandem so aufdrängen. Den ganzen Tag lang ging es nur um das Durchhalten - aber es geht immer nur um das Durchhalten. Die Hälfte der Zeit denke ich beständig daran, dass ich mich am liebsten umbringen würde und dass die Pillen, die meine Mutter in der Nachttischschublade liegen hat, dafür vermutlich auch ausreichen würden. Die restliche Zeit fühle ich mich einfach nur traurig, aber apathisch und so, als 'müsste ich einfach nur noch so und so viel Zeit durchhalten'. Allerdings ist mir nicht klar, wie lange, und vor allem kommt nach diesen Phasen ebenfalls nichts als nur noch mehr suizidale Gedanken und noch mehr Durchhhalten. Ist das wirklich alles, worum es geht im Leben? Kann es wirklich alles sein - das Durchhalten? Falls dem so ist, falls jeder so verspürt, dann möchte ich wirklich nicht mehr. Der ganze Tag war gleichzeitig wie in Watte gepackt und gleichzeitig unfassbar grau.
Um fünf dann hatte ich wieder einen Termin bei meinem Therapeuten, wo ich dann wirkich angefangen habe, besinnungslos zu heulen. Alles ist aus mir herausgeplatzt und er hat mir berichtet, dass meine Mutter ihn auch angerufen hätte - unabhängig von meinen Wünschen hätte sie einen Arzttermin vereinbart, auch purer Angst, dass ich zusammenklappe und nicht mehr aufstehe. Mein Therapeut ist zum Glück sehr offen, da er selber meint, ohne eine gewisse Ehrlichkeit liesse sich kein Verhältnis zwischen ihm und einem Patienten aufbauen. Er meinte, dass er es in dem Zustand nicht verantworten kann, mich einfach nur einmal die Woche zu sehen, um mit mir zu reden, sondern dass ich mich wirklich in medizinische Obhut begeben muss, einfach weil ich mich in Lebensgefahr befinde. Er schlug vor, meinenArzttermin auf morgen anzusetzen - die Schule lasse ich ausfallen und meine Bedenken hinsichtlich der Physikprüfung hat er nur damit kommentiert, dass ich es kaum schaffe, überhaupt aufzustehen, weil ich so schwach bin. Schule sei jetzt nur Nebensache und meine körperliche Verfassung das Wichtigste.
Später kam noch meine Mutter hinzu, weil er vorgeschlagen hatte, sie anzurufen, damit sie mich abholt und wir gemeinsam nach Hause laufen (zu dem Zeitpunkt war ich verständlicherweise ziemlich aufgelöst). Sie hatte mir bereits gestern erzählt, dass sie einen merkwürdigen Traum hatte. In dem Traum war mein Vater nicht verstorben, sondern lebte noch in Indien und ich ebenfalls, doch meine Mutter hatte keine Ahnung davon und glaubte ihn für tot. Als sie uns begegnete, wollte ich nicht zu ihr kommen, sondern bei meinem Vater bleiben. Das erschien ihr anfangs ziemlich konfus, doch heute hat sie mir anvertraut, dass sie den Traum nun versteht. Mein Vater war darin tatsächlich verstorben - ich war ihm nur gefolgt und konnte deshalb nicht mehr zu meiner Mutter zurück. Das habe ihr solche Angst eingejagt, dass sie den Arzttermin vereinbart hat. Ausserdem habe sie einen Telefonanruf meiner Tante, die ich vor einer Woche besucht habe und die geweint hat, als sie mich gesehen hat. Wir hatten uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen und sie sowie meine Cousins waren anscheinend von meinem Anblick geschockt.
Das alles wirkt so... surreal im Augenblick. Morgen gehe ich also nicht zur Schule, sondern zum Arzt. Ich weiss nicht, was mich dort erwartet und weiss auch nicht, was mich danach erwartet. Eine Klinik? Für meine Mutter gibt es anscheinend keine andere Lösung, aber auch wenn ich einsehe, dass sich etwas ändern muss und es so nicht weitergeht, ist das für mich noch immer keine Option.Ich weiss, dass es mir körperlich richtig schlecht geht. Normale Menschen brauchen morgens keine zehn Minuten, um die Kraft zu finden, aufzustehen. Normale Menschen müssen sich nicht am Geländer festhalten, um überhaupt eine Treppe hochlaufen zu können. Normale Menschen müssen sich nicht am Boden aufstützen und hochdrücken, um aufstehen zu können. Ich weiss auch, dass ich psychische Probleme habe, die schon eine ganze Weile da sind. Aber ich habe einfach nur solche furchtbare Angst. Angst vor dem, was morgen kommt. Was man mir sagen wird, wozu man mich vielleicht zwingen könnte.
Meine Mutter arbeitet morgens glücklicherweise - den Arzttermin bringe ich alleine hinter mich. Was auch immer das genau bedeuten mag.

Mittwoch, 9. Januar 2013

Lange Tage

Heute war beim besten Willen kein besonders guter Tag.
Dabei war es im Grunde nur ein recht kurzer, nämlich einer mit knapp drei Schulstunden - eine fiel aus, Englisch, da wir mündliche Prüfungen hatten und die Lehrerin dementsprechend abwesend war. Die Stunde Sport habe ich glatt ausgesetzt, weil mir so schlecht war und ich mich so schwach und kraftlos gefühlt habe. Die Lehrerin war zwar verständnisvoll, aber das hat die Sache kaum besser gemacht. Die Englischprüfung danach ist schlechter verlaufen als gedacht und ich habe nur eine 5 statt einer zu erwartenden 5,5 geschrieben (Schweizer Notensystem). Nach der Stunde durfte ich gehen, bin auf dem Weg zum Bahnhof einer flüchtigen Bekannten begegnet und erst ein in Tränen ausgebrochen, weil ich eine Art Mini-Panikattacke hatte, bereits davor auf den Schultoiletten. Das Gefühl war einfach nur... overwhelming. Glücklicherweise hat sie so getan, als würde sie nichts bemerken und ist ihrer Wege gegangen.
Auf Morgen müsste ich jetzt noch Spanisch lernen, womit ich schon seit einer Stunde beschäftigt bin, und für meine Physikarbeit am Freitag sollte ich auch noch büffeln, weil ich bis jetzt absolut nicht dafür gelernt habe. Es fühlt sich so an, als würde alles auf mich zusammenbrechen und ich dem ganzen Druck, der auf mir lastet, nicht mehr lange gegenwirken kann. Bis jetzt habe ich heute 515 Kalorien zu mir genommen und ich weiss, dass ich mir noch etwas zubereiten sollte, aber ich kann mich beim besten Willen nicht aufraffen, etwas zu kochen. Obwohl, das stimmt nicht ganz - ich sitze zwischen den Stühlen und weiss nicht, ob ich etwas zubreiten sollte. Und wie viel davon. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit bringt mich noch um.

Freitag, 4. Januar 2013

Gedanken

Heute hatte ich wieder einen Termin bei meinem Therapeuten. Der Termin selber war ganz okay, wir haben über die Panikattacken geredet und darüber, dass er mir von Gesetzes wegen keine Antidepressiva verschreiben kann, weshalb ich mich da an meinen Hausarzt werden sollte, müsste und wohl auch werde. Andere Themen wurden ebenfalls angeschnitten, meine depressiven Zustände, die Angst vor dem ganzen Stress vor all den Klausuren und fälligen Terminen nächste Woche wie auch das Ritzen und einfach meine generelle Gefühlslage. Es ist schön, mit jemandem frei sprechen zu können, der mir zuhört und mich (zumindest nicht so, dass ich es mitbekomme) verurteilt. Es macht mir jedoch Angst, dass er meint, eine stationäre Behandlung könne eine Option sein... die kommt für mich einfach nicht in Frage, wirklich nicht. Ich will es alleine schaffen. Oder daran scheitern. Aber ich will es nicht in einer Klinik tun.
Später ist meine Mutter hinzugekommen und sie haben sich beide gemeinsam darüber unterhalten, dass alles unter 40 Kilo doch im roten Bereich ist und möglicherweise andere Massnahmen erfordert als ambulante Therapie, während ich nur daneben sitzen konnte und genau wusste, dass ich heute Morgen nur 35.9 Kilo auf die Waage gebracht habe. Zum Glück drängen sie mich nicht dazu, auf die Waage zu steigen, doch die Frage ich nur, wie lange es noch dauert, bis das von mir verlangt wird. Klar, es ist meine Entscheidung, aber ich kann mich nicht ewig wehren, besonders, weil meine Mutter auch möchte, dass ich einen Arzt aufsuche. Meine Mutter versteift sich doch sehr auf diese Zahl und ich habe das Gefühl, sie vertraut mir nicht, wenn ich ihr versichere, dass ich mein Bestes und Möglichstes und überhaupt Mühe mit allem gebe.
Ich will aber wirklich nicht mehr abnehmen. Ob ich wieder zunehmen kann, ist eine andere Frage, aber ich will nicht mehr abnehmen. Mein BMI beträgt jetzt 12, das kann und darf nicht noch tiefer fallen. Es scheint zurzeit nur so, als wäre jeder Tag eine unüberbrückbare Herausforderung und als wäre ich der nicht gewachsen.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Panikattacken

Bis dato war ich nie wirklich für Panikattacken anfällig, aber nach einer recht üblen am Sonntag hatte ich heute gegen sieben wieder eine. Zumindest denke ich, dass es eine war - woher weiss man so genau, ob man eine Panikattacke hat, wenn man davor nie offiziell eine hatte?
Auf jeden Fall war das ziemlich scheusslich, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben und sich so unglaublich hoffnungslos und orientierungslos zu fühlen. Einige Schritte zu laufen hat nichts gebracht, an die frische Luft zu gehen ebenfalls nicht und selbst die fünfzehn neuen Narben, die meinen Unterarm zieren, waren im Endeffekt völlig ohne Nutzen, obwohl mich das sonst immer sehr beruhigt. Meine Mutter war zum Glück da und das einzige, was ich sonst noch über Panikattacken wusste, hat mir dann geholfen: Druck ist förderlich. Sie hat mich so stark gedrückt, wie es nur ging, fast eineinhalb Stunden lang, bis jeglicher... "innerlicher Druck" der Panikattacke verschwunden war. Sonntag habe ich das alleine mit einer grossen Bettdecke geschafft, aber heute war das sehr viel schlimmer. Es macht mir Angst, dass ich nicht weiss, woher das kommt und wieso ich auf einmal welche habe. Irgendwie ist es kein so toller Start ins neue Jahr.