Sonntag, 14. Juli 2013

Nicht alle Züge halten an


Obwohl sie eine dicke Daunenjacke trug und die Sonne an diesem Maimorgen bereits schien, war Mara furchtbar kalt. Die Schüler am Bahnhof um sie herum trugen fast alle nur dünne Leinenjacken, einige Mutige waren sogar nur im Shirt unterwegs. Sie scherzten, lachten, beklagten sich darüber, dass der Mathelehrer ihnen so viele Hausaufgaben aufgegeben hatten, planten bereits, im Zug vom Klassenstreber die Lösungen abzuschreiben und warteten ungeduldig darauf, dass dieser endlich eintraf. Mara blickte stumm auf die Gleise vor ihr, auf denen gleich der Zug zum stehen kommen würde. Sie hörte ihre Schulkameraden kaum und achtete nicht darauf, was sie von sich gaben, war fasziniert vom Anblick der Gleise.
So viele Nachmittage hatte sie auf diesem Bahnsteig verbracht und die Züge vorbeirasen sehen, in diesem Höllentempo. Hatte den kalten Luftzug verspürt, sich in den Fenstern der Abteile gespiegelt, die Elektrizität in der Luft förmlich gerochen. So schnell die Züge kamen, waren sie auch wieder verschwunden, viele, ohne in dem kleinen Bahnhof anzuhalten. Sie rasten regelrecht vorbei. Mara starrte ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren, und setzte sich dann wieder auf die kleine Bank, um auf den nächsten zu warten. Sie blickte auf die weisse Markierung auf der Bahnsteigkante, die anzeigte, dass man nicht zu nahe an den Rand kommen sollte, damit man nicht in Gefahr geriet. Es wäre so lächerlich einfach, sie zu überschreiten. Langsam ging Mara auf die Linie zu und blieb kurz davor stehen. So lächerlich einfach. Unerträglich langsam, doch bestimmt setzte sie einen Fuss hinter die Linie, dann den anderen, bis sie so dicht vor der Bahnsteigkante war, dass sie beinahe auf die Gleise fiel. Der nächste Zug würde bald kommen. Auf der Anzeigetafel war zu lesen, dass der nächste Zug in zwanzig Minuten eintreffen würde, doch davor würde noch ein anderer vorbeikommen, der nicht anhielte. Mara hatte genug Nachmittage auf der Bank verbacht, um in- und auswendig zu wissen, wann welcher Zug kommen würde. Noch drei Minuten. Nicht mehr ganz so bestimmt wie vorher hob Mara den Kopf, sah sich um, um auszuschliessen, dass ausser ihr noch jemand da war, und stellte zufrieden fest, dass der kleine Bahnhof menschenleer war. Mit einem Satz, von einem plötzlichen Impuls getrieben, sprang sie vom Bahnsteig auf die Gleise. Noch zwei Minuten. Verblüfft von ihrem eigenen plötzlichen Mut, endlich das getan zu haben, das sie sich so lange nur vorgestellt hatte, bückte sie sich zu den Schienen, berührte sie erst mit der Fingerspitze, dann mit der ganzen Hand. Sie waren nicht so kühl, wie sie gedachte hatte, sondern angenehm warm, bereits von den Sonnenstrahlen geheizt. Wie es sich wohl anfühlte, sich auf sie zu legen? Noch eine Minute. Mara wollte es ausprobieren. Sich einfach nur hinlegen und sehen, wie es sich anfühlte. Auf den Rücken. Die Wolken beobachten und das warme Eisen im Nacken und an der Hüfte spüren. Bestimmt fühlte es sich himmlisch an. Als Mara bereits den Entschluss gefasst hatte, sich hinzulegen, blickte sie kurz auf und sah von weitem, wie etwas Kleines sich auf sie zubewegte und immer grösser wurde. Der Zug. Er war wie immer pünktlich. Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte Mara, dann richtete sie sich auf, so schnell es ihr möglich war, und eilte hinauf auf den Bahnsteig, bevor sie den gewohnten kühlen Luftzug im Nacken spüren konnte. Dann erst merkte sie, was gerade geschehen war, wie knapp sie den Rädern des Zuges entwischt war. 
Daran dachte Mara, als sie an diesem Morgen im Mai auf die Gleise starrte. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie bei der Erinnerung daran ihre Fäuste in den Jackentaschen so fest geballt hatte, dass ihre Sehnen bereits weiss hervortraten und sie sich ihre Fingernägel in die Haut bohrte. Ihr Mund verzerrte sich beim Gedanken an die Situation zu einer Grimasse. Alle Stimmen um sie herum schienen völlig zu verstummen, alle Hintergrundgeräusche zu verstimmen. Es blieben nur noch Mara, die warmen Gleise und der bald eintreffende Zug übrig. Sie blickte in die Richtung, aus der er kommen würde, und sah nach einigen endlos lange erscheinenden Augenblicken endlich, wie er sich auf den Bahnhof zubewegte. Ohne noch einen Gedanken darüber zu verschwenden, als hätte sie das ewig so geplant, sprang sie förmlich von der Bank, war in zwei Sätzen beim Bahnsteigrand und stieg unter den entsetzten Blicken ihrer fassungslosen Mitschüler auf die Gleise. Alles schien den Atem anzuhalten. Als Mara ihren Kopf auf das Gleis bettete, dachte sie noch, wie seltsam es doch war, dass all die Kälte auf einmal verschwunden zu sein schien. Sie schloss ihre Augen und ein kleines Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, bevor der Zug mit voller Kraft am Bahnhof vorbeifuhr, ohne anzuhalten, und ihrem Leben dadurch ein jähes Ende setzte.

Samstag, 13. Juli 2013

what's in my bag...

Nein, ich habe tatsächlich nichts besseres zu tun... das lenkt zumindest ein wenig ab und sowas gehört doch auf einen Blog, nicht?

Erstmal meine Tasche... ich habe sie, seit ich zwölf bin und brauche sie eigentlich ständig. Sie ist gross genug, hat einen breiten Riemen, der nicht so einschneidet und vor allem ist sie deshalb toll, weil sie an der Unterseite eine Art 'Schuhprofil' hat, sie kippt also nicht um, wenn man sie abstellt.

 

Zum Inhalt... zurzeit ist sie richtig vollgepackt. 


Erstmal drei Bücher. 
Seelen von Stephenie Meyer (ich finde ihre Bücher zwar furchtbar, aber trotzdem lese ich sie... schliesslich will ich wissen, was ich da kritisiere (übrigens schafft sie es auch noch dann eine Dreiecksbeziehung entstehen zu lassen, wenn nur zwei Körper im Spiel sind. Faszinierend, diese Fixierung).
Knoblauch, Kreuz und Weihwasser - Hand buch für Vampirjäger von Scott Bowen
Traummann an der Angel von Mary Janice Davidson
Beim bestern Willen keine anspruchsvolle Lektüre, aber eben das, was man am Bahnhof für fünf Mäuse am Grabbeltisch so findet. Sie werden mich zumindest eine Weile unterhalten, schätze ich, beim Durchblättern sind sie mir auf jeden Fall wie eine akzeptable Zeitvertreib-Lektüre vorgekommen. Alle anderen Bücher, die mir meine Mutter aus der Bibliothek und von zuhause ins Krankenhaus mitgebracht hat, habe ich jetzt durch und auch die, die auf der Station für die Patienten bereitstehen sind   ausgelesen. Wählerisch bin ich wirklich nicht mehr.


Darauf folgt ein ziemlicher Kabelsalat. 
Mein Handy mitsamt Aufladegerät, der mp3-Player (bei dem aus einem mir nicht erklärbarem Grund nur das Radio funktioniert, weshalb ich mir in Dauerschleife Get Lucky anhören muss) mit Aufladegerät und mein iPod (nicht auf dem Bild, da ich damit das Foto geschossen habe) mit (leicht angeknackstem) Aufladekabel sowie mein alter Nintendo DS mit Aufladegerät, den ich aus den Tiefen meines Zimmers herausgekramt habe.


Puh, nun zum Kleinkram, der in meiner Tasche herumschwirrt...
Meine Brieftasche mit etwas Geld, meinem Generalabo für den Zug, meine Identitäts-, Bibliotheks- und Organspendekarte (ich gestatte im Falle meines Todes die Entnahme jeglicher Organe, Gewebe und Zellen - ob sie die wollen, ist eine andere Frage), diverse Visitenkarten, halb ausgefüllte Stempelkarten (zehntes Sandwich umsonst).
2 Teebeutel von Kenwick mit Kirscharoma aus Holland, die ich von meiner Tante bekommen habe. 
Meine Schlüssel (Hausschlüssel, der vom Briefkasten und der von meinem Casier in der Schule) mitsamt merkwürdigen Schlüsselanhänger, den meine Mutter einmal bekommen hat.
Zwei angebrochene Kaugummipackungen (Wassermelone).
Ein USB-Stick, bei dem der Deckel fehlt.
Ein kaputter (aber noch funktionstüchtiger) Füller und ein Tintenkiller. 
Meine Medikamente für heute und morgen.
Eine Zahnbürste, die schon ewig in dieser Tasche ist, aber keine Zahnpasta.
Ein Concealer/Roll-On von Garnier, den mir meine Mutter einmal gekauft hat, ich aber nicht brauche, weil ich mir einbilde, dass man meine Augenringe damit nur noch stärker sieht.
Ein 'Schneeflockenlicht' von meiner Grossmutter.
Eine Geschenkgutscheinkarte über 20 Franken bei exlibris, einem Laden, der Bücher, DVDs, CDs etc. verkauft und den ich wahrscheinlich bald brauchen sollte, bevor er verfällt.
Einige Münzen, die ich in der Eile nicht in meine Brieftasche gesteckt habe.
Zwei gelbe Post-It-Blöcke mit einer Telefonnummer drauf.
Ein Nasenpflaster, das schon ganz klebrig ist.
Meine Sonnenbrille, die ich nie anziehe, weil ich keine Kontaktlinsen mehr trage und ohne Brille kaum etwas erkenne.
Die Terminkarte von der Physiotherapie (allerdings eine ältere, auf der noch Termine vom Mai stehen).
Die Quittung für zwei Eintritte im Museum im Januar.
Einige leere Tintenpatronen, die schon seit einer Weile da herumschwirren.
Drei Scoubidous, die weitgehend fertig sind.
Zitronensaft... weiss der Geier, woher.

Tja. Das war wirklich wahnsinnig aufschlussreich und spannend und hat mich gute dreissig Minuten lang beschäftigt.